Jeder kennt das Problem: man findet in einer familiengeschichtlichen Quelle den Namen eines Elternteils, aber sonstige Angaben fehlen. Oder man hat mühselig das Geburtsdatum einer Person recherchiert, findet dann aber keine weiteren Informationen zu dieser Person und überhaupt weiß man gar nicht, wo und in welchem Zeitraum man weitersuchen soll.
Hier kann es hilfreich sein, sich noch einmal alles bereits Bekannte anzuschauen und fehlende Lebensdaten der noch nicht weiter erforschten Personen auf Basis statistischer Zahlen oder soziologischer Überlegungen zu schätzen. Zwar verläuft nicht ein Leben wie das andere, aber auch in der Familiengeschichtsforschung gibt es einige "Gesetzmäßigkeiten", die man sich zunutze machen kann. Ein paar Beispiele:
- Menschenleben sind endlich. Die wenigsten Menschen schaffen es über 90 zu werden. Das gilt heute genauso wie früher, auch wenn die Bedingungen dafür heute besser sind.
- Frauen sind nicht unbegrenzt gebärfähig und mit steigendem Alter nimmt die Chance, gesunde Kinder auf die Welt zu bringen, ab. Die meisten Frauen bekamen ihr erstes Kind in den frühen 20ern und brachten dann in Abständen von etwa 2 Jahren weitere Kinder zur Welt.
- Dem Heiratsalter waren von jeher gesetzliche und gesellschaftliche Beschränkungen auferlegt: das Kirchenrecht des Mittelalters und der frühen Neuzeit knüpfte das "Ehemündigkeitsalter" an die Geschlechtsreife, weltliche Gesetze passten es im 19. und 20. Jahrhundert immer mehr an die geltende Volljährigkeit an, die gleichzusetzen war mit der vollen Geschäftsfähigkeit und damit der Möglichkeit, eine Familie versorgen zu können.
- Es gibt "Eintrittsalter", die relativ fix sind: z.B. besuchten Kinder - sofern sie einer Schulpflicht unterlagen - früher die Schule im Alter von 6-14, gefolgt von der beruflichen Lehre oder (in selteneren Fällen) höheren Schulen; das Firm- / bzw. Konfirmationsalter lag meist bei 14 Jahren, während das Erstkommunionsalter immer wieder neu geregelt wurde und zwischen 6 und 14 Jahren schwanken konnte (durchschnittlich lag es aber bei 9).
Szenarien für das Schätzen und Eingrenzen historischer Personendaten
Gesucht | Bekannt | Sich daraus | Anmerkungen |
Geburt | Alter bei einem Ereignis | Ereignisjahr – Alter + 5 Ereignisjahr – Alter – 5 |
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Geburt | Heiratsdatum | Heiratsdatum – Ehemündigkeit* Heiratsdatum – 40 | * Zum Alter der Ehemündigkeit siehe Tabelle unten! |
Geburt Mutter | Geburtsjahre des 1. und letzten Kindes | Geburt erstes Kind – 16 Geburt letztes Kind – 50 |
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Geburt Vater | Geburtsjahre des 1. und letzten Kindes | Geburt erstes Kind – 16 Geburt letztes Kind – 70 |
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Schulzeit | Geburtsjahr | Geburtsjahr + 5 Geburtsjahr + 15 | Hier nur für Elementarausbildung (Volksschule). Die Schulzeit endete i.d.R. mit der achten Klasse an Ostern (im Alter von 14), eine anschließende Lehre begann um den 1. April und dauerte bis zu 4 Jahre. |
Erstkommunion (kath.) | Geburtsjahr | Geburtsjahr + 6 Geburtsjahr + 14 | Häufiges Durchschnittsalter bei 9 Jahren (drittes Schuljahr); oft hatten mehrere Kinder einer Familie zusammen Erstkommunion |
Firmung (kath.) | Geburtsjahr | Geburtsjahr + 12 Geburtsjahr + 16 | Firmungen fanden häufig im 14. Lebensjahr statt. Nach kirchlichem Recht waren sie aber schon ab dem 7. Lebensjahr möglich. |
Konfirmation (ev.) | Geburtsjahr | Geburtsjahr + 14 | Konfirmationen fielen oft mit dem Ende der Schulzeit zusammen, d.h. in der achten Klasse um Ostern herum |
Volljährigkeit | Geburtsjahr | Geburtsjahr + Volljährigkeit* | * Zum Alter der Volljährigkeit siehe Tabelle unten! |
Heiratsdatum | Geburtsjahr | Geburtsjahr + Ehemündigkeit* Geburtsjahr + 40 | * Zum Alter der Ehemündigkeit siehe Tabelle unten! |
Heiratsdatum | Geburtsjahre des 1. und letzten Kindes | Geburt erstes Kind – 1 Geburt letztes Kind – 34 | Statistisch gesehen wurden Kinder im Abstand von 2 Jahren geboren, das erste in der Regel im Jahr nach der Heirat. |
Tod | Geburtsjahr und ein weiteres Ereignis | Geburt + 90 Ereignisdatum |
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Ehemündigkeit im Fuldaer Land und seinen übergeordneten staatlichen Instanzen:
Zeitraum | Rechtsgrundlage | Mindestalter Männer | Mindestalter Frauen | Anmerkungen |
1582-1715 | Corpus Iuris Canonici von 1582, CIC 1083 | 14 Jahre | 12 Jahre | Katholisches Kirchenrecht (auch bekannt als Römisches Recht). |
1715-1822 | Fuldaer Privatrecht | 14 Jahre | 12 Jahre | Übernahme des bisher gültigen katholischen Kirchenrechts in weltliches Recht; nach dem Fuldaer Privatrecht mussten die Eheleute ein „quantum connubiale“ mit in die Ehe bringen: in der Residenzstadt Fulda lebende 300 Gulden, auf dem Land lebende 200 Gulden. |
1822-1870 | kurhessisches Recht | 22 Jahre | 18 Jahre | Ehemündigkeit fiel mit Volljährigkeit zusammen. |
1870-1875 | Preußisches Landrecht von 1794, II 1 §37 | 18 Jahre | 14 Jahre |
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1875-1900 | Reichsgesetz von 1875, §28 | 20 Jahre | 16 Jahre | Einwilligung des Vaters (wenn dieser tot, der Mutter) oder des gesetzlichen Vormunds nötig: Bei Männern vor dem 25. Geburtstag, bei Frauen vor dem 24. Geburtstag. Dispensation möglich. |
1900-1938 | BGB von 1900, §1303 | 21 Jahre | 16 Jahre |
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1938-1946 | Reichs-Ehegesetz von 1938, §84 | 21 Jahre | 16 Jahre | Bei Männern war eine Eheschließung ab 18 möglich, wenn diese nicht mehr unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft standen. |
1946-1974 | Ehegesetz von 1946, §78 (Kontrollratsgesetz Nr. 16, KRAB177) | 21 Jahre | 16 Jahre | Bei Frauen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nötig bis zum 21. Geburtstag.
Bei Männern war eine Eheschließung ab 18 möglich, wenn diese nicht mehr unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft standen. |
1975-1998 | Gesetz zur Regelung des Volljährigkeits-alters vom 31.07.1974 | 18 Jahre | 18 Jahre | An die Volljährigkeit gekoppelt. Auf Antrag konnte ein Antragsteller schon mit 16 heiraten, wenn der Ehepartner bereits 18 war und das zuständige Familiengericht eine Befreiung von der Voraussetzung der Volljährigkeit erteilt hatte. |
1998-2017 | BGB, §1303 | 18 Jahre | 18 Jahre | An die Volljährigkeit gekoppelt. Auf Antrag konnte ein Antragsteller schon mit 16 heiraten, wenn der Ehepartner bereits 18 war und das zuständige Familiengericht eine Befreiung von der Voraussetzung der Volljährigkeit erteilt hatte. |
Seit | BGB, §1303 | 18 Jahre | 18 Jahre |
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Volljährigkeit im Fuldaer Land und seinen übergeordneten staatlichen Instanzen:
Volljährigkeit (auch Großjährigkeit, Mündigkeit) bedeutete die volle Geschäftsfähigkeit.
Zeitraum | Rechtsgrundlage | Volljährigkeit mit | Anmerkungen |
1450-1792 | Römisches Recht | 25 Jahren |
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1792-1831 (?) | Gesetz vom 20.09.1792 | 21 Jahren | Gesetz „Über die Art und Weise den Civilstand der Bürger fest zu stellen“.
Gültig für das gesamte deutsche Staatsgebiet des Heiligen Römischen Reiches. |
1831-1870 | Gesetz vom 13.09.1831 | 25 Jahren | Gültig in Hessen-Kassel (Kurhessen) |
1870-1876 | Gesetz vom 09.12.1869 | 21 Jahren | „Gesetz über das Alter der Großjährigkeit“.
Gültig in ganz Preußen |
1876-1900 | Reichsgesetz vom 17.02.1875 | 21 Jahren | Gültig im gesamten Deutschen Reich |
1900-1975 | §2 BGB | 21 Jahren | Gültig im gesamten Deutschen Reich und in der Bundesrepublik |
Seit 1975 | Gesetz vom 31.07.1974 | 18 Jahren | „Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters“
Gültig in der gesamten Bundesrepublik
Am 01.01.1975 wurden alle Personen in der BRD, die zwischen dem 01.01.1954 und dem 01.01.1957 geboren waren, gemeinsam volljährig. |
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