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28.03.2021

Personendaten berechnen und schätzen

Jeder kennt das Problem: man findet in einer familiengeschichtlichen Quelle den Namen eines Elternteils, aber sonstige Angaben fehlen. Oder man hat mühselig das Geburtsdatum einer Person recherchiert, findet dann aber keine weiteren Informationen zu dieser Person und überhaupt weiß man gar nicht, wo und in welchem Zeitraum man weitersuchen soll.

Hier kann es hilfreich sein, sich noch einmal alles bereits Bekannte anzuschauen und fehlende Lebensdaten der noch nicht weiter erforschten Personen auf Basis statistischer Zahlen oder soziologischer Überlegungen zu schätzen. Zwar verläuft nicht ein Leben wie das andere, aber auch in der Familiengeschichtsforschung gibt es einige "Gesetzmäßigkeiten", die man sich zunutze machen kann. Ein paar Beispiele:

  • Menschenleben sind endlich. Die wenigsten Menschen schaffen es über 90 zu werden. Das gilt heute genauso wie früher, auch wenn die Bedingungen dafür heute besser sind.
  • Frauen sind nicht unbegrenzt gebärfähig und mit steigendem Alter nimmt die Chance, gesunde Kinder auf die Welt zu bringen, ab. Die meisten Frauen bekamen ihr erstes Kind in den frühen 20ern und brachten dann in Abständen von etwa 2 Jahren weitere Kinder zur Welt.
  • Dem Heiratsalter waren von jeher gesetzliche und gesellschaftliche Beschränkungen auferlegt: das Kirchenrecht des Mittelalters und der frühen Neuzeit knüpfte das "Ehemündigkeitsalter" an die Geschlechtsreife, weltliche Gesetze passten es im 19. und 20. Jahrhundert immer mehr an die geltende Volljährigkeit an, die gleichzusetzen war mit der vollen Geschäftsfähigkeit und damit der Möglichkeit, eine Familie versorgen zu können.
  • Es gibt "Eintrittsalter", die relativ fix sind: z.B. besuchten Kinder - sofern sie einer Schulpflicht unterlagen - früher die Schule im Alter von 6-14, gefolgt von der beruflichen Lehre oder (in selteneren Fällen) höheren Schulen; das Firm- / bzw. Konfirmationsalter lag meist bei 14 Jahren, während das Erstkommunionsalter immer wieder neu geregelt wurde und zwischen 6 und 14 Jahren schwanken konnte (durchschnittlich lag es aber bei 9). 
Diese Beispiele mögen verdeutlichen, dass man sich durch solche Überlegungen an die Biographie einer Person annähern kann und dadurch ein Gerüst erstellen kann, das man nach und nach durch Überprüfung der geschätzten Daten mit Inhalt füllen kann. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über einige solcher Szenarien:

Szenarien für das Schätzen und Eingrenzen historischer Personendaten

 

Gesucht

Bekannt

Sich daraus 
ergebende Zeitspanne

Anmerkungen

Geburt

Alter bei einem Ereignis

Ereignisjahr – Alter + 5

Ereignisjahr – Alter – 5

 

Geburt

Heiratsdatum

Heiratsdatum – Ehemündigkeit*

Heiratsdatum – 40

* Zum Alter der Ehemündigkeit siehe Tabelle unten!

Geburt Mutter

Geburtsjahre des 1. und letzten Kindes

Geburt erstes Kind – 16

Geburt letztes Kind – 50

 

Geburt Vater

Geburtsjahre des 1. und letzten Kindes

Geburt erstes Kind – 16

Geburt letztes Kind – 70

 

Schulzeit

Geburtsjahr

Geburtsjahr + 5

Geburtsjahr + 15

Hier nur für Elementarausbildung (Volksschule). Die Schulzeit endete i.d.R. mit der achten Klasse an Ostern (im Alter von 14), eine anschließende Lehre begann um den 1. April und dauerte bis zu 4 Jahre.

Erstkommunion (kath.)

Geburtsjahr

Geburtsjahr + 6

Geburtsjahr + 14

Häufiges Durchschnittsalter bei 9 Jahren (drittes Schuljahr); oft hatten mehrere Kinder einer Familie zusammen Erstkommunion

Firmung (kath.)

Geburtsjahr

Geburtsjahr + 12

Geburtsjahr + 16

Firmungen fanden häufig im 14. Lebensjahr statt. Nach kirchlichem Recht waren sie aber schon ab dem 7. Lebensjahr möglich.

Konfirmation (ev.)

Geburtsjahr

Geburtsjahr + 14

Konfirmationen fielen oft mit dem Ende der Schulzeit zusammen, d.h. in der achten Klasse um Ostern herum

Volljährigkeit

Geburtsjahr

Geburtsjahr + Volljährigkeit*

* Zum Alter der Volljährigkeit siehe Tabelle unten!

Heiratsdatum

Geburtsjahr

Geburtsjahr + Ehemündigkeit*

Geburtsjahr + 40

* Zum Alter der Ehemündigkeit siehe Tabelle unten!

Heiratsdatum

Geburtsjahre des 1. und letzten Kindes

Geburt erstes Kind – 1

Geburt letztes Kind – 34

Statistisch gesehen wurden Kinder im Abstand von 2 Jahren geboren, das erste in der Regel im Jahr nach der Heirat.

Tod

Geburtsjahr und ein weiteres Ereignis

Geburt + 90

Ereignisdatum

 

 


Ehemündigkeit im Fuldaer Land und seinen übergeordneten staatlichen Instanzen:

 

Zeitraum

Rechtsgrundlage

Mindestalter Männer

Mindestalter Frauen

Anmerkungen

1582-1715

Corpus Iuris Canonici von 1582, CIC 1083

14 Jahre

12 Jahre

Katholisches Kirchenrecht (auch bekannt als Römisches Recht).

1715-1822

Fuldaer Privatrecht

14 Jahre

12 Jahre

Übernahme des bisher gültigen katholischen Kirchenrechts in weltliches Recht; nach dem Fuldaer Privatrecht mussten die Eheleute ein „quantum connubiale“ mit in die Ehe bringen: in der Residenzstadt Fulda lebende 300 Gulden, auf dem Land lebende 200 Gulden.

1822-1870

kurhessisches Recht

22 Jahre

18 Jahre

Ehemündigkeit fiel mit Volljährigkeit zusammen.

1870-1875

Preußisches Landrecht von 1794, II 1 §37

18 Jahre

14 Jahre

 

1875-1900

Reichsgesetz von 1875, §28

20 Jahre

16 Jahre

Einwilligung des Vaters (wenn dieser tot, der Mutter) oder des gesetzlichen Vormunds nötig: Bei Männern vor dem 25. Geburtstag, bei Frauen vor dem 24. Geburtstag. Dispensation möglich.

1900-1938

BGB von 1900, §1303

21 Jahre

16 Jahre

 

1938-1946

Reichs-Ehegesetz von 1938, §84

21 Jahre

16 Jahre

Bei Männern war eine Eheschließung ab 18 möglich, wenn diese nicht mehr unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft standen.

1946-1974

Ehegesetz von 1946, §78 (Kontrollratsgesetz Nr. 16, KRAB177)

21 Jahre

16 Jahre

Bei Frauen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nötig bis zum 21. Geburtstag.

 

Bei Männern war eine Eheschließung ab 18 möglich, wenn diese nicht mehr unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft standen.

1975-1998

Gesetz zur Regelung des Volljährigkeits-alters vom 31.07.1974

18 Jahre

18 Jahre

An die Volljährigkeit gekoppelt. Auf Antrag konnte ein Antragsteller schon mit 16 heiraten, wenn der Ehepartner bereits 18 war und das zuständige Familiengericht eine Befreiung von der Voraussetzung der Volljährigkeit erteilt hatte.

1998-2017

BGB, §1303

18 Jahre

18 Jahre

An die Volljährigkeit gekoppelt. Auf Antrag konnte ein Antragsteller schon mit 16 heiraten, wenn der Ehepartner bereits 18 war und das zuständige Familiengericht eine Befreiung von der Voraussetzung der Volljährigkeit erteilt hatte.

Seit
2017

BGB, §1303

18 Jahre

18 Jahre

 

 


Volljährigkeit im Fuldaer Land und seinen übergeordneten staatlichen Instanzen:

 

Volljährigkeit (auch Großjährigkeit, Mündigkeit) bedeutete die volle Geschäftsfähigkeit.

 

Zeitraum

Rechtsgrundlage

Volljährigkeit mit

Anmerkungen

1450-1792

Römisches Recht

25 Jahren

 

1792-1831 (?)

Gesetz vom 20.09.1792

21 Jahren

Gesetz „Über die Art und Weise den Civilstand der Bürger fest zu stellen“. 

 

Gültig für das gesamte deutsche Staatsgebiet des Heiligen Römischen Reiches.

1831-1870

Gesetz vom 13.09.1831

25 Jahren

Gültig in Hessen-Kassel (Kurhessen)

1870-1876

Gesetz vom 09.12.1869

21 Jahren

„Gesetz über das Alter der Großjährigkeit“. 

 

Gültig in ganz Preußen

1876-1900

Reichsgesetz vom 17.02.1875

21 Jahren

Gültig im gesamten Deutschen Reich

1900-1975

§2 BGB

21 Jahren

Gültig im gesamten Deutschen Reich und in der Bundesrepublik

Seit 1975

Gesetz vom 31.07.1974

18 Jahren

„Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters“

 

Gültig in der gesamten Bundesrepublik

 

Am 01.01.1975 wurden alle Personen in der BRD, die zwischen dem 01.01.1954 und dem 01.01.1957 geboren waren, gemeinsam volljährig.

 

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